Erklärung zum Verlassen des Bleistifthauses

Erklärung zum Verlassen des Buntstifthauses

Wir, die Besetzer*innen des Buntstifthauses Hildesheim, haben heute gemeinsam entschieden, das Buntstifthaus zu verlassen. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Unter den jetzigen Bedingungen wäre es uns nicht möglich gewesen, den Betrieb des Hauses in dieser Form fortzuführen. Der Uni hat uns Strom und Wasser abgestellt. Gerade das Abstellen des Wassers bei den heißen Temperaturen erzeugt eine äußerst unkomfortable Situation. Auch der Weiterbetrieb der Toiletten ist so nicht möglich. Das behindert uns darin, die Zugänglichkeit des Hauses weiter zu gewährleisten. Auch benötigen wir Strom, für die Durchführung einiger unserer Veranstaltungen.

Mit einer langfristigen Bleibeperspektive wären wir durchaus bereit und in der Lage, eine solche Infrastruktur wieder aufzubauen. Die Strafanzeige der Universität machte zum ersten Mal ein ernstzunehmendes Drohszenario auf, nachdem die Uni uns zum 4. Mal ein Ultimatum gestellt hat. In Anbetracht dieser unklaren Situation haben wir entschlossen, unsere Energie nachhaltiger einzusetzen als in den Aufbau einer Infrastruktur, die uns die Nutzung des Hauses lediglich um ein oder zwei Tage verlängern lässt. Wir stecken unsere Energie lieber in neue Aktionen!

Im Buntstifthaus haben wir ein Experimentierfeld von wilden Räumen geschaffen, die es ermöglicht haben, Ideen zu entwickeln und umsetzen. Wir haben viele Ideen gesammelt, für die wir Mauern des Hauses nicht brauchen. Diese werden wir nun nach und nach in die Stadt bringen und damit unseren Spielplatz ausweiten.

Wir haben viele Diskussionen miteinander geführt. Diese Diskussionen waren zwar anstrengend, aber auch anregend und wichtig und notwendig. Vor allem hat uns das Haus die Zeit und den Raum dafür geboten. Das Buntstifthaus war für uns ein Ort der Debatten. Die Offenheit der Besetzung, die es ermöglichte, neuen Menschen direkt einen Zugang auch zu unseren Entscheidungsstrukturen zu gewährleisten, trug zu dem bunten Bild bei, was wir nach außen präsentieren konnten.

Ein Plenum, dass sich aus ständig wechselnden Menschen zusammensetzt, macht die Findung von beständigen Entscheidungen schwierig. Das müssen wir gerade in Hinblick auf den heutigen Tag selbstkritisch hinterfragen. Wir haben dabei gemerkt, wie viel Mut es erfordert, einmal getroffene Entscheidungen wieder umzuwerfen, gerade wenn schon anderes nach außen kommuniziert wurde.

Wir können ein positives Fazit ziehen, wenn wir auf zwei Wochen Besetzung zurückschauen. Wir haben uns vernetzt, unterschiedliche Akteur*innen sind zusammengekommen. Wir haben von ganz unterschiedlichen Seiten Unterstützung angeboten bekommen. Wir haben eine riesige mediale Aufmerksamkeit generiert, sowohl in Hildesheim als auch in Niedersachsen, ja sogar deutschlandweit.

Für 17 Uhr wurde eine Eilkundgebung als Reaktion auf das Abstellen von Strom und Wasser angemeldet und durchgeführt. Gleich zu Anfang wurde den, trotz kurzfristiger Mobilisierung, Erschienenen etwa 60 Unterstützer*innen die Situation erklärt und Transparenz über die Entscheidung zu gehen und wie es dazu gekommen ist, geschaffen.

Die Kundgebung, auf der spontane Reden Platz fanden und Stellungnahmen verlesen wurden, haben wir in einer anschließenden Demonstration durch die Fußgänger*innen-Zone und symbolischer Marktplatzbesetzung enden lassen. Vorm Buntstifthaus herrschte anfangs noch eine bedrückte Stimmung, die aus der Traurigkeit, unser Haus zu verlassen, entsprang. Es gelang uns aber, in der anschließenden bunten Demonstration durch die Innenstadt wieder Energie zu tanken, die es uns ermöglichen wird, den Schwung der aus der Besetzung entstanden für andere Aktionen zu nutzen. Mit Zwischenstopp beim Bahnhof haben wir unsere Anliegen auf die Straße getragen. Wir haben uns den öffentlichen Raum genommen. Die temporäre Besetzung des Marktplatzes mit bunten Decken, Musik und Schokolade ist die Weiterführung der Besetzung des Buntstifthauses mit anderen Mitteln.

Wir haben viel Kraft gesammelt in den zwei Wochen gemeinschaftlichen Lebens und Wirkens. Gemeinsam mit neuen Verbündeten werden wir uns weiter für selbstverwaltete Freiräume einsetzen.

Wir gehen aus dem Haus, aber bleiben in der Stadt!

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2 Responses to Erklärung zum Verlassen des Bleistifthauses

  1. irgendwer says:

    Hallo,
    diese Erklärung ist euch super gelungen – und das mitten in der Nacht, nach dem ganzen Stress. Danke dafür.
    Für mich ist es dadurch sehr gut verständlich geworden, warum sich die Gruppe so entschieden hat.

    Lieber Gruß
    irgendwer

  2. Trillke says:

    Liebe Leute vom Buntstifthaus!
    Wir, die Bewohner*innen des Trillkes, bedauern sehr, dass ihr das Haus räumen musstet. Wir freuen uns über euren Mut, und danken euch für die politischen und kulturellen Impulse der vergangenen 2 Wochen. Wir sind mit euch solidarisch und unterstützen eure Forderungen nach offenen, selbstverwalteten und unkommerziellen Räumen in der Stadt. Wenn ihr mal wieder ein Dach etc. für Veranstaltungen sucht, freuen wir uns, wenn ihr an uns denkt … Solidarische Grüße, lasst euch den Sommer nicht verhageln, die Trillke-Bewohner*innen

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